Es hat keinen "Fall Lisa" gegeben. RT Deutsch behauptet von sich, es wäre an der Kampagne nicht beteiligt gewesen. Dieser Text belegt das Gegenteil.
Der Fall Lisa: Politisierung eines Sexualverbrechens
Video RT Deutsch (https://www.youtube.com/watch?v=oViPtHgckNI)Originallänge 13:43
Veröffentlicht als Auskopplung am 28.01.2016 (erstmalige Verbreitung am 27.01.2016 in "Der Fehlende Part")
Videobeschreibung:
Die mutmaßliche Vergewaltigung einer minderjährigen Deutsch-Russin aus Berlin-
Marzahn hat bereits für viele Schlagzeilen gesorgt. Über die Geschichte hatte
zuerst der russische Staatssender Pervij Kanal berichtet. Prompt eilte die Presse
hierzulande mit voreiligen Schlüssen hinterher und legte die Reportage als
russische Propaganda aus. Doch ganz so einfach ist der Fall nicht.
0:00
Intro (Maria Janssen)
Der Fall des Verschwindens, der möglichen Misshandlung und des erwiesenen
sexuellen Missbrauchs der 13-jährigen Lisa aus Mahrzahn, hat Ultranationalisten
und russophobe Mainstreammedien gleichermaßen dazu ermuntert, das Schicksal eines
Mädchens auf schamlose Weise politisch auszubeuten.
Doch wie soll man nun die Anschuldigungen der betroffenen Familie, die scheinbar
im Widerspruch mit der offiziellen Stellungnahme der Polizei stehen, deuten?
Diese Frage haben wir dem Rechstanwalt der Familie, Alexej Danckwardt gestellt.
0:37
Danckwardt via Skype o.ä.
Wenn sie sich sie Aussagen der Polizei genau anschauen, die haben nie gesagt,
dass nichts passiert ist. Die spielen also mit unterschiedlichen juristischen
Qualifikationen und sagen, es gab keine Vergewaltigung und es gab keine
Entführung. Dass es nichts gab, sagen die nie. Es kommt aber in der Bevölkerung
und leider auch bei sehr, sehr vielen Journalisten genau so an: Da war nichts,
alles ist gelogen. Deswegen kritisiere ich auch die Polizei, weil man mit solchen
Eindrücken der geschädigten Familie und dem Tatopfer selbst, ein schweres,
noch einmal ein zusätzliches schweres Trauma zufügt. In der Zwischenzeit hat sich
der Staatsanwalt, der Berliner Staatsanwalt zu Wort gemeldet. Dieses Interview
war aus meiner Sicht fast korrekt. Mit der Ausnahme, dass ich bei sexuellem
Missbrauch, niemals das Wort "freiwillig" oder "einverständlich" verwenden würde.
Es ist einfach ein falscher Zungenschlag, den selbst ein Verteidiger im Prozess
nicht benutzen darf.
Jedenfalls, was ist der Sachstand? Es gab ein Verbrechen. Wie genau dieses
Verbrechen zu qualifizieren ist, es gibt ja zwei Versionen und man kann jetzt
nicht von vornherein sagen, die eine Version stimmt, die andere nicht. Das heißt,
im Ergebnis der Ermittlungen kann immer noch raus kommen, dass es tatsächlich
eine Vergewaltigung gab. Aber was zumindest nach menschlichen Ermessen feststeht
ist, dass es sexuellen Missbrauch gab und es steht weiterhin fest, dass das
Mädchen nach den 30 Stunden, die es nicht zuhause war, mit Spuren von
Körperverletzungen nach Hause kam. Und ja, das ist, zumindest muss man das
qualifizieren als sexueller Missbrauch von Kindern, in Tatmehrheit mit einer
Körperverletzung oder wie gesagt, es kann immer so sein, dass die ursprüngliche
Version des Mädchens stimmt und dass sie einfach dem Vernehmungsdruck nicht
standgehalten hat. Das ist auch eine als Vergewaltigung juristisch zu
qualifizieren sein wird. Warten wir's ab.
2:59
Ansage Maria Janssen
Ein russischer Reporter wurde auf die Geschichte aufmerksam und entschloss sich,
diese in seinem Bericht zu erläutern.
Prompt eilte die Presse hierzulande mit ihren voreiligen Schlüssen. Die Perwy-
Kanal-Reportage wurde als russische Propaganda ausgelegt. Und so wird den
russischen Medien Hetze gegen Ausländer und Flüchtlinge vorgeworfen. Noch bevor
die Ermittlungen überhaupt abgeschlossen werden konnten. Ich habe mir den
Bericht, der das alles ins Rollen brachte mehrmals angeschaut und konnte keine
Hetze gegen Ausländer oder Flüchtlinge feststellen. Auch haben sich die
Angehörigen der Familie, bei keiner ihrer Aussagen, in irgendeiner Art und Weise
abwertende Kommentare gegen Ausländer erlaubt. Das Wort Flüchtlinge ist gar nicht
gefallen. Auch wenn NDR-Zapp in ihrem Bericht über Blagoys Reportage das Wort
"приезжие" als "Flüchtlinge" übersetzt.
Als der Perwy-Kanal-Reporter Ivan Blagoy sich entschloss einen Bericht über das
missbrauchte 13-jährige Mädchen zu machen, ahnte er nicht, welche Reaktionswelle
er damit auslösen würde.
4:07
Interview Jannsen (J) -Blagoy (B)
russisch geführt, deutsch übersprochen (teilweise Worte verschluckt)
J: Guten Tag Ivan!
B: Guten Tag!
J: Erzählen sie uns, welche Reaktionen folgten nachdem sie die Reportage gemacht
haben!
B: Hauptsächlich negative Reaktionen. Ich habe ziemlich aktiv die sozialen
Netzwerke beobachtet. Ich habe aktiv beobachtet, was die deutsche Presse
geschrieben hat.
Die deutsche Presse hat ab etwa Mitte der Woche angefangen, darüber zu schreiben.
Ab Dienstag, ungefähr, kamen die ersten Publikationen. Die waren alle negativ.
Aber was mich überrascht hat ist, dass niemand versucht zu klären, was mit dem
Mädchen tatsächlich passiert ist. Die offizielle Stellungnahme der Polizei
dominierte und es sah im Grunde dermaßen aus: Also Leute, hier ist die
Stellungnahme der Polizei, es ist nichts passiert, wir können abtreten. Und diese
Russen, die denken sich etwas aus, versuchen etwas im trüben Wasser zu fangen.
In diesem Fall ist es so abgelaufen: Unsere Reportage wurde am Samstag
ausgestrahlt. Aber ich wusste bereits drei Tage zuvor von der Geschichte und das
aus verschiedenen Quellen. Hier hat die Mundpropaganda gearbeitet. So ein System
von Anrufen, wo jeder jeden kennt. In Berlin gibt es viele Russen. In diesem
Bezirk wohnen(? genuschelt) meine Bekannten und mich haben verschiedene Menschen
angerufen. Mein Zahnarzt zum Beispiel hat mich sogar angerufen. Der hatte einen
Patienten, der ihm diese Geschichte erzählt hat. Aber das schwierigste war, die
Gerüchte, die um diese Geschichte kursierten, von den realen Fakten zu trennen.
Ich habe mit den Eltern des Mädchens gesprochen. Die waren im tiefen
Schockzustand. Danach habe ich Kontakt mit der Tante des Mädchens hergestellt. Zu
diesem Zeitpunkt wusste ich, wo sie arbeitet, ich kannte ihre Arbeitskollegen.
Also ich hatte keinerlei Zweifel, dass es absolut reale Menschen waren. Das sind
einfache Menschen, so viel Aufmerksamkeit sind sie nicht gewohnt. In ihrer
Familie ist ein Unglück passiert. Die waren geschockt, dass sie kein Mitgefühl
und keine Beachtung erhielten, die sie sich von der Polizei durchaus erwartet
hatten. Dies hat auch der momentan agierende Verteidiger wiederholt. Ein
Mitarbeiter der Polizei hat nach einem dreistündigen Gespräch mit dem Mädchen zu
den Eltern gesagt, sie glauben ihm nicht. Und hat angeblich angedeutet, dass der
Fall geschlossen wird. Nun stellt sich heraus, dass es die Präjurative(?) der
Staatsanwaltschaft und nicht der Polizei ist. Sie also das Vorrecht haben,
darüber zu entscheiden. All diese Sachen kamen ans Licht in Gesprächen mit den
Verwandten, in Gesprächen mit Leuten, die dieses Mädchen kennen, mit den
Nachbarn. Und dann hat sich das recht zügig in Berlin verbreitet und erreichte
unser Drehteam. Und nachdem wir uns mit diesen Menschen getroffen hatten, stand
für uns fest, dass wir über diese Geschichte berichten müssen. Da tatsächlich ein
Unglück passiert ist, ist es von Interesse für unsere Zuschauer in Deutschland
und für unsere Zuschauer in Russland. Wenn ich von Interesse spreche, meine ich
nicht, dass Unglück anderer zur Unterhaltung wird. Nein, das sind einfach
gesellschaftlich wichtige Angelegenheiten, die insbesondere nach den Vorfällen in
Köln besonders aktuell sind.
7:14
J: Haben sie die Reaktionen in sozialen Netzwerken beobachtet? Wie waren
sie?
B: Abscheulich. Das war Hetze, reine Hetze. Wobei, was mich am meisten erstaunt
hat ist, dass gegen die Familie die eigenen Landsleute gehetzt haben. Es gab sehr
viele negative Kommentare im russischsprachigen Internetsegment und dann
natürlich der eine deutsche Korrespondent aus Moskau, der einen Screenshot aus
unserer Reportage gemacht hat, wo man die Tante des Mädchens sieht. Und den unter
dem Titel: Lass uns die Schauspielerin finden, auf seiner Facebookseite
veröffentlicht. Das ist niederträchtig. Die anderen haben es aufgegriffen und
zusätzlich noch die Mobiltelefonnummer der Eltern veröffentlicht. Und zwar nicht
in dem Format, wie es auf dem Flyer stand, sondern mit der Vorwahl von
Deutschland. Also ist man davon ausgegangen, dass Menschen aus Russland oder
anderen Ländern anrufen werden. Es wurde alles getan, um das Leben der Familie
schwer zu machen, um das Leben unmöglich zu machen. Und danach haben sich die
deutschen Medien eingeschaltet. Die haben die Accounts der Eltern und ihrer
Verwandten in den sozialen Netzwerken studiert, haben über deren Bezieheungen zu
der NPD geschrieben, haben geschrieben: Oh, die sympathisieren mit Pegida.
J: Hat es die Beziehung zu der NPD tatsächlich gegeben?
B: Ich glaube nicht, dass dort irgendwelche Art von Beziehung zu der NPD besteht.
Denen ist ein Unglück zugestoßen. Das sind normale, einfache Leute. Die sind
unpolitisch.
J: Die wollten nur eine Plattform finden.
B: Ich würde sogar sagen, wenn es sich um so ein Unglück handelt, ist es
unangebracht über die Politik zu reden. Die haben vielleicht gewisse Sympathien
oder im Gegenteil, Kritik gegenüber der Politik der offenen Türen gehabt. Aber,
was hat das, mit dem, was passiert ist zu tun? Denen ist ein Unglück zugestoßen.
Wir sollten die Dinge beim Namen nennen. Es ist die Aufgabe der Juristen und des
Gerichts das als Vergewaltigung zu klassifizieren oder als keine Vergewaltigung.
Die Juristen sind jetzt ganz vorsichtig. Da gibt es juristische Nuancen. Der
Familie ist ein Unglück zugestoßen, gegen die wurde massiv gehetzt. Das ist
widerwärtig. Für mich war es eine Überraschung, dass man jemanden so durch den
Dreck zieht. Ob eine Person, die minderjährig ist oder die Eltern. Das ist
einfach niederträchtig.
J: Verstehen sie warum es diese Reaktionen gab?
B: Von vornherein wurde diese Geschichte politisiert. Niemand wollte diese
Geschichte als ein normales Kriminalverbrechen behandeln. Das ist Politik. Das
ist die Wechselbeziehung Russland-Europa. Wahrscheinlich spiegelt es die
Gemütsstimmung von Russlanddeutschen hier in Deutschland wider. Und in der
Geschichte, die wir erzählt haben, sind die Täter ja womöglich aus arabischen
Ländern stammend. Es ist schwer zu sagen. Bei der Reportage stützen wir uns auf
die Aussage der Verwandten. Und das war vor zwei Wochen. Jetzt wissen wir viel
mehr. Aber wir wissen jetzt viel mehr, weil und zwar eben weil die Reportage
gezeigt wurde. Denn ansonsten, gut, wäre die Familie mit diesem Unglück ganz
allein auf sich gestellt. Jetzt wird dieser Vorfall zumindest kommentiert. Soweit
ich weiß, hat sich auch die russische Botschaft eingeschaltet und hat zu der
Familie Kontakt aufgenommen. Die haben sich getroffen. Die haben mit dem Mädchen
und mit ihren Eltern gesprochen. Also, jetzt ist es eine ganz andere Dimension,
habe ich den Eindruck.
11:06
J: Was denken sie darüber, dass der deutsche Anwalt Martin Luithle bei der
Staatsanwaltschaft gegen sie eine Anzeige wegen Volksverhetzung erstattet hat?
Was halten sie von diesen Anschuldigungen?
B: Ich finde sie unbegründet. Tatsache ist, dass der Anwalt eine Anzeige bei der
Staatsanwaltschaft gestellt hat, als alle gezweifelt hatten, dass das Mädchen und
die Familie existieren. Weil, von Anfang an wurde vorgeworfen, dass nichts
stimme, dass das Mädchen erfunden sei und der Vorfall auch. Nichts stimme und
seien bloß bezahlte Schauspieler und so weiter. Aber als sich herausgestellt hat,
dass die Menschen existieren und ihnen tatsächlich etwas schreckliches zugestoßen
war, sah alles etwas anders aus. Also, ich habe noch keine Dokumente bekommen.
Falls ich etwas bekomme, wird es zum Gegenstand für ein Gespräch werden. Momentan
kann ich noch nichts dazu sagen. Der Anwalt hat zuerst die Medien informiert,
dass er bei der Staatsanwaltschaft eine Anzeige erstatten würde, danach hat er
sie unter Einbeziehung der Öffentlichkeit erstattet. Momentan gibt es noch kein
Ergebnis. Also, ich kann dem Anwalt nur gratulieren, dass soviele über ihn
schreiben und ich nehme an, dass das Rating seiner Zitierbarkeit seines Namens
jetzt ganz hoch ist. Da kann ma ihm nur gratulieren.
J: Hatten sie eigentlich je Zweifel an der ganzen Geschichte?
B: Wissen sie, das ist immer ganz schwierig. Wenn du verstehst, dass du eine
Reportage vorbereitest, die für Aufregung sorgen kann. Natürlich habe ich nicht
damit gerechnet, dass die Resonanz so groß sein würde. Natürlich hatte ich
Zweifel. Deshalb habe ich extra betont, dass ich die Arbeitskollegin der Tante
des Mädchens kenne. Das ich weiß, wo sie arbeitet, als was sie arbeitet. Und wir
haben lange mit ihr gesprochen. Ich hatte die Gelegenheit mich zu vergewissern,
dass sie die ist, für wen sie sich ausgibt und ich hatte keine Zweifel, dass die
Geschichte wahr ist. Vor allem, als wir mit den Leuten gesprochen haben, hat sich
herausgestellt, dass es Nachbarn gibt, die dieses Mädchen, seit dem sie klein ist
kennen. Kann man man sich sowas wirklich nur ausdenken? Das ist ein Drama. Wir
haben überall gesagt, dass wir uns auf die Aussagen der Tante oder des Onkels
berufen, weil sie zu dem Zeitpunkt die einzige Informationsquelle darstellten.
Und es waren wichtige Informationen, gesellschaftlich wichtige Informationen. Wir
mussten darüber berichten. Andernfalls, warum existieren wir dann?
Das ist der russische Fernsehbeitrag, den Blagoy zu verantworten hat:
https://www.1tv.ru/news/2016-01-16/3330-avstriya_vremenno_priostanavlivaet_deystvie_shengenskogo_soglasheniya_iz_za_sluchaev_nasiliya_v_germanii
Ergänzung am 01.03.17
Gestern wurde bekannt, dass gegen einen Mann Anklage erhoben wird, der schon vor und unabhängig vom "Fall Lisa" sexuelle Kontakte mit dem minderjährigen Mädchen hatte.
Die BZ hat aus diesem Anlass den zeitlichen Ablauf des Lügen-"Falls Lisa" rekapituliert. Die oben verschriftete Sendung wurde am Tag nach der Einmischung Lawrows veröffentlicht.
Zum Artikel der BZ → http://www.bz-berlin.de/berlin/marzahn-hellersdorf/der-fall-lisa-13-mann-23-wegen-sexuellen-missbrauchs-angeklagt
Ergänzung am 02.08.19
Am 01.08.2019 äußerte der Online-Chef von RT Deutsch, dass der Videobeitrag schon vor der Einmischung Lawrows in Arbeit war.
1:45 nachm. · 1. Aug. 2019Twitter Web App
Link zum Tweet:https://twitter.com/FWarweg/status/1156893606470410240?s=20
Das bedeutet:
- RT Deutsch bereitet einen Beitrag vor, der falsche Darstellungen enthält.
- Am 26.01.2016 mischt sich Lawrow ein.
- Am 26.01.2016 reagiert die Presse und dementiert auf Basis von Polizeiaussagen, dass es weder eine Entführung noch eine Vergewaltigung gegeben habe.
- Am 27.01.2016 veröffentlicht RT Deutsch die seit Tagen vorbereiteten Interviews, in denen die falschen Behauptungen erneut in den Raum gestellt werden.
Ergänzung am 19.01.20
Die RT Deutsch-Interviews wurden erstmalig am 27.01.2016 im Rahmen der Videosendung "Der Fehlende Part" verbreitet.